Selfpublishing damals und heute

„Auch wenn es den Anschein hat, ist der Selbstverlag kein Phänomen der letzten paar Jahre, sondern existiert schon immer neben den traditionellen Verlagsmodellen.“ Um diese Kernthese dreht sich die Seminararbeit von Christina Greiner-Pachter, die sie zum Abschluss des „Studienprojekt Selfpublishing“ im Frühjahr einreichte. Sie beleuchtet darin, ob und inwiefern sich die Motive der Autoren und die Prozesse, die in vergangenen Jahrhunderten der Veröffentlichung ohne Verlag vorangingen, von denen im 21. Jahrhundert unterscheiden.

Versteht man unter Selfpublishing im weitesten Sinne jeden Text, der direkt von seinem Autor einer Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, beginnt die Geschichte des Selfpublishings im Prinzip schon in der Antike. Eine These, deren Gültigkeit wohl vor allem von der zugrundeliegenden Definition abhängt. Will man konkret nach Autoren suchen, die gezielt (ob nun freiwillig oder notgedrungen) ohne einen Verlag ihre Schriften publizierten, muss berücksichtigt werden, dass eine Instanz, die unserem Verständnis von „Verlag“ bzw. „Verleger“ entspricht, erst im 15. Jahrhundert überhaupt die Bühne betrat.

Erst mit der Erfindung der Druckerpresse entstand die Prozesskette aus Autor, Verleger, Drucker, Buchhändler und Leser. „Verlegte ein Autor sich nun selbst“, so Greiner-Pachter, „eliminierte das den Verleger und oft auch den Buchhändler aus dieser Kette.“ Allerdings fehlten somit auch genau jene Instanzen, die über ausreichend Einsicht in den Markt verfügten. Ein Faktor, der für die erfolgreiche Verbreitung und Vermarktung der Texte von zentraler Bedeutung war (und ist). Dennoch war es noch im 17. Jahrhundert gang und gäbe, dass Autoren die Sache selbst in die Hand nahmen, nicht zuletzt, weil die Anzahl der Verlage weit geringer war, als heute. Erst als ihre Zahl wuchs und somit auch die guten Geschäftsbeziehungen der Verleger zu den Buchhändlern, wurde es für unabhängige Autoren zunehmend schwieriger, Zugang zum Markt zu finden. Neben dieser Negativmotivation, sich in die Obhut eines Verlages zu begeben, bot dieser Schritt finanziell entscheidende Vorteile, da er Eigenkapital obsolet machte und das Risiko eines Verlustgeschäfts vom Verleger getragen wurde.

Dennoch gibt es hinreichend Indizien dafür, dass sich Autoren für das Publizieren ohne Verlag interessierten. Überliefert ist beispielsweise eine Art Ratgeberliteratur, auf die sich Stephanie Rahmede in ihrem Aufsatz „Die Buchhandlung der Gelehrten zu Dessau“ bezieht. Darunter findet sich eine Kostenaufstellung, die empfiehlt, für eine Auflage von 2000 Exemplaren einen Fonds in Höhe von 10.000 Gulden einzurichten. Für diesen Betrag errechnet Greiner-Pachter einen heutigen Gegenwert von über 27.000 Euro.[1]

An den zwei zentralen Motiven ohne Verlag zu publizieren, hat sich im Prinzip nicht viel geändert: Ein Autor entscheidet sich dafür, weil er entweder keinen Verlag findet, oder weil er sich davon eine größere Beteiligung am Umsatz verspricht. Manfred Plinke spricht in diesem Zusammenhang auch vom Prinzip „Lust & Frust“.[2] Für letzteres war unter anderem Gottfried Wilhelm Leibniz ein Beispiel, der offen seine Abneigung gegen die Verleger kundtat und ihnen unterstellte, aus Habgier die Autoren auszubeuten. „Lust“ hätten die Autoren vor allem, so Greiner-Pachter, auf die Herausforderung, etwas Neues kennenzulernen.

Für die sogenannte „Schriftstelleremanzipation um 1800“ gibt es ebenso prominente Beispiele: Neben Wielands Zeitschrift „Der Teutsche Merkur“, die im Selbstverlag erschien, realisierte auch Klopstock ein sehr erfolgreiches Selbstverlagsprojekt. Den Druck des ersten Bandes seiner „Deutschen Gelehrtenrepublik“ finanzierte er 1773 mithilfe eines Subskribentennetzwerks, dass er nach dem Schneeballprinzip aufbaute, indem er seine eigenen Kontakte nutzte und diese auch dazu aufforderte, weitere Interessenten zu werben.[1] Auch dies ein Verfahren, das unter der Bezeichnung „Crowdfunding“ nur vermeintlich ein Phänomen des 21. Jahrhunderts ist. Eine Methode, die allerdings auf einen bekannten Namen angewiesen war und bei unbekannten Werken nicht besonders gut funktionierte.

Noch bis Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts stellten die hohen first copy-Kosten das wohl größte Hindernis für eine verlagsunabhängige Publikation dar. Erst mit dem Einzug der Kopierautomaten in den 1960er Jahren war eine vergleichsweise kostengünstige Möglichkeit entstanden, in kleiner Auflage zu vervielfältigen; ein Verfahren, das besonders an Universitäten und in der politischen Szene beliebt war. Es nimmt also in beiderlei Hinsicht wenig wunder, dass Plinke insbesondere bei der 68er Generation einen ersten Boom für Selbstverlegertendenzen ausmacht. Qualitativ waren die kopierten und mit Tacker oder Schnur zusammengebundenen Werke natürlich nicht mit professionellen Verlagspublikationen zu vergleichen.[2]

Als eher unschöne Begleiterscheinung des zunehmenden Ehrgeizes der Autoren, ihr Manuskript trotz breiter Ablehnung von Verlagsseite in den Druck zu bringen, entstand außerdem die Grundlage für das Geschäftsmodell „Zuschussverlag“. Dennoch operierten diese noch immer mit Mindestauflagen. Erst mit dem Desktop Publishing (DTP) begann Mitte der 1980er Jahre die Digitalisierung der Druckvorstufe und schuf die wichtigste Voraussetzung für Print on Demand; dies ermöglichte die Anfertigung von Kleinstauflagen zu bezahlbaren Preisen. Unterboten wurde dieses Prinzip schließlich durch die reine Online-Publikation, von verschiedenen Plattformen inzwischen in Verbindung mit einer Print on Demand Funktion angeboten. Was die neuen Intermediäre im Bereich der Dienstleistungen betrifft, fällt in jedem Falle das Werben mit dem emanzipatorischen Aspekt des Selfpublishings auf, der sich in Slogans wie „Befreien Sie sich von der Diktatur der Verlage“ (Firma „Mein Buch“, Hamburg) oder „Your Book, Your Way“ (lulu.com) niederschlägt.

Am Ende ihrer Arbeit kommt Greiner-Pachter zu dem Schluss, dass sich an der Motivation, die Autoren zum Selfpublishing treibt, im Laufe der Jahrhunderte kaum etwas geändert hat, wohl aber an den technischen Voraussetzungen. Dass die Zahl der Selfpublisher steigen und Selfpublishing somit zukünftig eine immer größere Rolle auf dem Buchmarkt darstellen wird, versteht sich von selbst. Dass daraus dennoch kein Erfolgsrezept für Jedermann werden wird, ist ebenso klar, denn auch wenn der Kuchen immer größer wird, steigt die Zahl derer, die etwas davon abbekommen möchten, mindestens im selben Maße an. Das reine Publizieren ist einfacher und kostengünstiger geworden und gerade deshalb wird es in Zukunft zunehmend schwieriger sein, aus dieser Masse hervorzustechen. Wie schon im Falle von Klopstock ist ein funktionierendes Netzwerk eine nahezu unabdingbare Voraussetzung und es ist ein unterhaltsames Gedankenexperiment, sich die einzelnen Bausteine einer Social Media-Kampagne zur „Gelehrtenrepublik“ auszumalen.

Christina Greiner-Pachter war im Wintersemester 2014/15 Teil der Kleingruppe “2 – Theorie der (Selbstverleger-)Autorschaft” im „Studienprojekt Selfpublishing“. Dieser Artikel ist eine Zusammenfassung ihrer Hausarbeit „Ich Verleg Mich Dann Mal Eben Selbst. Die Einflüsse der Digitalisierung auf den Selbstverlag“, die als abschließende Prüfungsleistung eingereicht wurde.


[1] Rahmede, Stephanie: Die Buchhandlung der Gelehrten zu Dessau. Ein Beitrag zur Schriftstelleremanzipation um 1800. 2008.

[2] Plinke, Manfred: Mini-Verlag. (7. Aufl.) 2009.

(Allgemeine Hinweise zur Verwendung von Fußnoten und Hyperlinks auf spubbles.wordpress.com)

kommentieren