Wissenschaftsblogs – Echte Alternative oder bloße Zeitverschwendung?

Kürzlich wurde uns die Frage gestellt, ob wir eigentlich vorhätten, die Ergebnisse unseres Projektes irgendwie zu veröffentlichen. Eine etwas verwirrende Frage, wie wir fanden. Schließlich veröffentlichen wir sie doch schon die ganze Zeit. Hier so, auf dem Blog. Oder zählen Blogs etwa nicht als Kanal für wissenschaftliche Veröffentlichungen? Eine Frage, der wir dringend nachgehen mussten.

Wie praktisch also, dass die Redaktion von de.hypotheses.org am 19. Januar zur Blogparade aufgerufen hatte: Erbeten waren persönliche Bilanzen und Meinungen zu Vor- und Nachteilen, Anerkennung und Zweck, Prognosen und Verbesserungsvorschlägen rund ums wissenschaftliche Bloggen. Unter dem Hashtag #wbhyp fanden sich viele lesenswerte Beiträge mit ganz unterschiedlichen Statements zu Sinn und Unsinn von Wissenschaftsblogs zusammen, die uns einen ersten Einblick in dieses Thema ermöglichten, und von denen hier, wie so oft, nur ein Bruchteil Erwähnung finden kann.

Für all jene, die eher wenig begeistert waren, dass die Studienleistung in unserem Projekt in Form von Blogbeiträgen erbracht werden sollte, lohnt sich jedenfalls der Artikel über wissenschaftlich bloggende Studierende, die nach Ansicht von Charlotte Jahnz durch das Bloggen vor allem viel lernen können. So gesehen ist der Nutzen von Blogs zunächst nicht viel größer, als der studentischer Hausarbeiten: Sie dienen in erster Linie als Fingerübung, entscheidend ist der Prozess, nicht das Endergebnis. Auch wenn viele Studierende das nicht ohne weiteres hinnehmen mögen, wie das große Angebot an Hausarbeiten auf gewissen kommerziellen Plattformen belegt.

Wie sieht es also bei den „fertigen“ Wissenschaftlern aus? Recht ähnlich, wie es scheint. Denn salopp formuliert gilt hier: Alles kann, nichts muss. Textlänge und Tonalität sind keinen Regeln unterworfen, Querverweise, Videos und Abbildungen – das ganze Semantic Web kann nahezu unbegrenzt zum Einsatz kommen. Eben jene Vielfalt verkompliziert allerdings auch die Diskussion. Über die genaue Bedeutung des Begriffs „Wissenschaftsblog“ gibt es keinen allgemeinen Konsens und im Einzelnen lassen lediglich die vorgebrachten Argumente erahnen, von welchem Format eigentlich die Rede ist.

Als wesentliche Schwächen tauchen zwei Punkte in mehreren Beiträgen auf. Zunächst einmal die fehlende Anerkennung; das Stigma, keinen vernünftigen Publikationskanal gefunden zu haben, untrennbar verzahnt mit den üblichen Zweifeln an der Qualität, denen sich wohl bis auf Weiteres jeder selbstpublizierte Text erst einmal stellen muss. Der zweite Schwachpunkt wird dem einen oder anderen in unserem Projekt ebenfalls bekannt vorkommen: „Ach, der Projektblog, den liest doch eh keiner.“

Felicitas Noeske, die durch ihren Blog eine Vernetzung zu ihrem Forschungsthema „Gymnasialbibliotheken“ anstrebt, spricht in diesem Zusammenhang charmant selbstironisch von einem „noch zu interessierenden Publikum“. Besonders hier wird deutlich, dass das Medium Blog unseren gängigen Vorstellungen vom Begriff Selfpublishing verflixt nahe kommt – es genügt eben nicht, einen Inhalt verfügbar zu machen. Um ihn sichtbar zu machen kommt der (Wissenschafts-) Blogger nicht drum herum, sich auf anderen Plattformen zu vernetzen und eine Öffentlichkeit herzustellen, um diese dann auf den Inhalt aufmerksam zu machen. Kurz: Ohne Social Media Marketing geht auch hier nichts.

Allerdings ist dies ein Schicksal, das durch die Bank weg alle Publikationsmedien teilen, ob nun Print oder Digital, ja selbst Fachtexte und Belletristik unterscheiden sich in dieser Hinsicht kaum. Mit den Worten von Christof Schöch: „Die knappe Ressource ist nicht das Papier, sondern die Zeit der LeserInnen. Und: Alle dürfen alles jederzeit publizieren, aber es gibt Mechanismen, die dafür sorgen, dass bestimmte Beiträge besonders viel Aufmerksamkeit bekommen.“ Dass diese Mechanismen nur wenig mit der Qualität oder Relevanz des Beitrages zu tun haben, weiß er auch. Am Ende seiner Erfolgsgeschichte über einen kleinen Blogbeitrag, der ursprünglich keiner war, auf wundersame Weise von den richtigen Leuten entdeckt wurde und dem so der Durchbruch in ein renommiertes Journal gelang, gibt er zu Protokoll: „Ob das nun am Thema des Artikels, an seiner Qualität, oder am Zufall der digitalen Dynamik lag, wage ich nicht zu beurteilen. Wahrscheinlich kam alles irgendwie zusammen.” Auffällig bleibt, dass der Erfolg in dieser Geschichte (mal wieder) darin bestand, dass ein ursprünglich selbstpublizierter Text durch ein arriviertes Medium geadelt wurde.

Blogs sind also wohl auch nicht die Antwort auf die von uns gestellte Frage, ob und wie Selfpublishing die Verlage im Bereich Wissenschaft ersetzen kann. Bloßes Privatvergnügen sind sie deshalb aber noch lange nicht. Denn wann immer wir den Blick auf die etwas allgemeinere Frage nach den Veränderungen im Wissenschaftsbetrieb vor dem Hintergrund von Social Media & Co richten, sollten wir diesen „Missing Link“, wie Mareike König ihn nennt, im Auge behalten. Sicher, dieser Begriff ist, ebenso wie der Verweis auf den Filmklassiker „Zurück in die Zukunft“ im Aufruf zur Blogparade, in erster Linie schick und inhaltlich wenig passend – aber das ist ja das Schöne am (wissenschaftlichen) Bloggen, da kommt’s nicht so sehr drauf an. Gemeint ist: „[Blogs] stellen ein eigenes Format dar, das seine Berechtigung im Wissenschaftsprozess hat, als Praktik des Austauschs und der wissenschaftlichen Kommunikation, angesiedelt zwischen einem lockeren mündlichen Gespräch und der rigideren Form eines wissenschaftlichen Aufsatzes für ein Journal.“

Monika Lehner widerspricht und verweist darauf, dass dieser Austausch auf direkterer Ebene stattfinden sollte, „via E-Mail, D[irect] M[essage] auf Twitter, via Skype und Telefon, in der Kaffeepause und/oder spät in der Nacht nach einem langen Konferenztag“, wohingegen die öffentliche Variante via Blog keine gute Idee sei, „denn das Netz vergisst nichts“. Und Anne Baillot rät ihren Doktoranden sogar ausdrücklich davon ab, über Blogs und Twitter den Forschungsprozess zu begleiten – nicht etwa, weil es unsinnig viel Zeit fräße, sondern weil man Gefahr laufe, sich seine Ideen klauen zu lassen. Wie groß dieses Risiko tatsächlich ist, sei einmal dahingestellt. Aus unserer Perspektive ist der limitierende Parameter in Sachen Potential, wie so oft, das Stichwort „Reputation“.

Dennoch ist die Frage für uns extrem interessant, ob die für König in der Blogosphäre beherbergte „akzeptierte Möglichkeit, sich zu irren“, im Hinblick auf das Totschlag-Argument der fehlenden Qualitätskontrolle im Selfpublishing den entscheidenden Stolperstein darstellt. Oder ob sie, ganz im Gegenteil, ein weiteres Indiz für den Vormarsch der Post Publication Peer Review (PPPR) ist, also einer nachgeschalteten Qualitätskontrolle in Form von Kommentaren und Diskussionen. Der bisher wohl einzigen Antwort auf die Frage, wie selbstpublizierte Fachtexte irgendwann einmal ohne Eingangskontrolle flügge werden könnten.

8 Kommentare zu “Wissenschaftsblogs – Echte Alternative oder bloße Zeitverschwendung?

  1. Ich bin der Meinung, dass der Blog für unser Projekt die beste Art des Publizierens darstellt.
    Wie hätten wir all die schönen, wöchentlichen Beiträge in ein Sammelwerk oder ähnliches fassen sollen…da wäre bestimmt der ein oder andere unkonventionelle Beitrag durchgefallen.
    Ich bin mir sicher, dass durch die kurzen – aber deshalb nicht minder wissenschaftlichen – Aufarbeitungen der Themen die Qualität der Beiträge gestiegen ist. Man kann seine Erfahrungen, Ergebnisse und auch Niederlagen direkt mit einem Publikum teilen und die Leser sind direkt in das Geschehen unseres Projekts involviert. Und auch wir sind ständig am Ball, erleben, was die anderen Gruppen machen und verfassen nicht „nur“ eine Hausarbeit am Ende – wir schreiben, lesen, kommentieren meist wöchentlich.
    Und man muss nicht noch ein Jahr warten bis dann das Werk zum Projekt auch wirklich erscheint 😉

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    • Ja, das stimmt, die Schnelligkeit ist ein wichtiges Argument und auch die Variabilität der Formate. Trotzdem: Wenn man ein Thema besetzen will, genügt ein Blog (bislang noch) nicht. Da braucht es mindestens einen Aufsatz, besser aber einen Sammelband oder eine Monografie. Was ich allerdings nicht nachvollziehen kann, ist das Argument des Ideenklaus. Da scheint mir eher das Gegenteil der Fall zu sein. Denn mit der Veröffentlichung ist doch gerade ausgeschlossen, was insbesondere bei informellen Gesprächen und unpublizierten Vorträgen stets die Gefahr ist. Und auch das in der Tat wichtige Recht zum Irren finde ich im Blog sehr wohl gegeben.
      Insgesamt ist das ein weiterer interessanter Beitrag zum wissenschaftlichen Selbstpublizieren. Chapeau!

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  2. Pingback: Perspektiven auf das wissenschaftliche Bloggen – Zusammenfassung zur Blogparade #wbhyp | Redaktionsblog

  3. Zum Thema „Gymnasialbibliotheken“: „Ohne Social Media Marketing geht auch hier nichts […]“

    Ich bin noch nicht davon überzeugt, dass Sie recht haben.

    Gymnasialbibliotheken und -archive sind eine unbekannte Sammlungsform, die gleichwohl die Bildungsgeschichte unseres Landes repräsentiert. Politik und Verwaltung, die über eben diese Bildung entscheiden, sind die einzigen, die diese Sammlungsform beschützen können.
    Politik und Verwaltung haben bei ihren Entscheidungen keine Ahnung von dieser Geschichte; beide funktionieren öffentlich über die Presse. Von Historie müssen sie deshalb keine Ahnung haben und auch keine Referenten dafür.
    Presse kann diese Historie nicht darstellen, weil sie von ihr nichts weiß. Bibliotheken und Wissenschaft sind selten in der Presse; die paar Idealisten gar nicht. Wissenschaft zu einem unbekannten Thema hat keine Chance.
    In den Social Medias (auch der Presse) sind junge Leute, also Praktikaten, Volontäre und Jungjournalisten, unterwegs, die auf einem Gymnasium waren und die eben deshalb das Thema nicht interessiert.
    Wissenschaft beeinflusst Entscheidungsträger nur dann, wenn sie in der Presse ist; Twitter, google+, facebook interessieren Wissenschaft, Verwaltung und Politik nur, wenn „man“ verrissen wird.
    Ein womöglich anstrengendes und mit Informationsbedarf versehenes Thema ist in allen Kanälen out of discussion, es sei denn, es passiert ein Skandal, d. h.: Kulturgut wird möglichst spektakulär vernichtet; darunter geht gar nichts.
    Gymnasialbibliotheken und -archive müssten erst spektakulär irgendwo vernichtet werden, bevor jemand mitkriegt, dass es so etwas überhaupt gegeben hat.
    Ob dann die Tränen fließen, ist ungewiss; schließlich hatte man in Politik und Verwaltung ja keine Ahnung davon gehabt.

    Und damit schließt sich der Kreis. Ich bin durch ein Pimgback auf Ihren Artikel gestoßen, nicht über ein soziales Netzwerk. Meine Hoffnung liegt eher in der Vernetzung der Ideen; für deren Nachhaltigkeit mir die Social Medias bislang noch nicht positiv, sondern eher als skandalös aufgefallen sind. Da, wo Social Medias gelegentlch erfolgreich sind, wie z. B. beim crowd funding, interessiert’s die Entscheidungsträger nur insofern, als diese Geld sparen; Petitionen sind, wenn diese eventuell Gekld kosten könnten, völlig erfolglos. Ich baue auf Blogs und auf die Neugier: erst mal sehen, was passiert.

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    • Zu meiner Verteidigung muss ich vielleicht vorweg schicken, dass ich selbst der Behauptung „alles kann, nichts muss“ sehr kritisch gegenüberstehe bzw. dass ich es für zielführender halte, innerhalb eines Blogs die Inhalte nach gewissen Rahmenbedingungen zu gestalten. Damit bin ich allerdings, unter anderem, beim Schreiben meiner Beiträge gezwungen, mich immer wieder rückzubeziehen auf das Oberthema „Selfpublishing (Belletristik)“ . Daher der Begriff „Social Media Marketing“. Eine Vernetzung auf anderen Plattformen meint aber, für mich, nicht bloß die üblichen Marktschreiereien auf Facebook und Twitter.
      Die Problematik, die Sie ansprechen (Aufmerksamkeit nur dann, wenn ein Skandal auftaucht etc.), ist in jedem Fall eine sehr wichtige. Auch in der Blogparade wurde ja kontrovers diskutiert, ob es der richtige Weg sei, ein Thema so leichtverdaulich und unterhaltsam wie möglich zu „vermarkten“, oder ob dies nicht grundfalsch sei und nichts mehr mit seriöser Wissenschaft zu tun hat.
      Einen Forschungsgegenstand ins Bewusstsein der breiten(!) Öffentlichkeit zu rücken ist eine mögliche Zielsetzung. Es liegt in der Natur der Sache, dass dies bei einem Nischenthema nur über eine (im besten Falle) populärwissenschaftliche Aufbereitung funktionieren kann. Denn aus der Nische heraus betrachtet besteht ja diese breite Öffentlichkeit zu 99,99% aus Laien.
      Die andere Zielsetzung – und das ist die, mit der wir uns im Projekt beschäftigen – ist: Eine wissenschaftliche Arbeit ohne Verlag an einem Ort zu veröffentlichen, an dem sie von meiner jeweiligen Peer Group wahr- und ernstgenommen wird. Dieser Ort kann selbstverständlich nicht zwischen Fotos von Brangelina und dem Tofuburger der besten Freundin sein.
      Andererseits wird der Kreis der Leser, deren Aufmerksamkeit ich erreiche, umso kleiner, je dichter und spezifischer meine Informationen thematisch zusammenpassen. Weder ein alleinstehender, monothematischer Blog, noch ein völlig allgemeines Netzwerk sind die Lösung.
      Und hier schließt sich der Kreis … zu Ihrem Blog wieder, der nämlich nicht freischwebend im Netz herumgeistert, sondern in einen größeren Rahmen – hypotheses.org – eingehängt ist. Damit sind Sie, zumindest nach meinem Verständnis, sehr wohl vernetzt. Und wäre dem nicht so, hätte ich dem Hinweis zu Ihrem Beitrag auf Twitter nicht nachgehen können, und wüsste bis heute nichts von Ihrem Blog. Und ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich für meinen Teil finde es sehr begrüßenswert, dass ich ihn gefunden habe.

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  4. Ich denke überhaupt nicht, dass bloggende Doktoranden Gefahr laufen, sich ihre Ideen klauen zu lassen, im Gegenteil! In einem „gesicherten“ Umfeld (mit Lizenz, Langzeitarchivierung, wissenschaftlichen Ansprüchen wie bei hypotheses) zu bloggen schützt sie eher vor Ideenklau. Ich denke aber, dass es mit Blick auf die mangelnde akademische Anerkennung für diese Form der Veröffentlichung zeitöknomisch nicht sinnvoll ist, in der Abschlussphase der Diss, ein eigenes Blog zu führen.

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    • Diesen Gedanken wiederum kann ich sofort nachvollziehen. Ob ich ihm deshalb nun ganz vorbehaltlos zustimmen würde ist eine andere Frage, aber jedenfalls erklärt Ihre Richtigstellung, warum ich bei dem Satz „Austausch ist kaum vertretbar, wo Konkurrenz herrscht“ in Ihrem Beitrag recht lange vor mich hingrübelte, ob ich richtig verstanden habe, welche Meinung Sie da vertreten (offensichtlich nicht). Denn wie hier im Kommentarbereich (nicht nur) von Ihnen erläutert erschien mir das doch sehr widersprüchlich.

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