Valentina Kramer: „Es hilft, den ‚Inneren Kritiker‘ fürs Erste in den Urlaub zu schicken.“

Danilo Blaeser

valentina kramerValentina Kramer ist Selfpublishing-Autorin. Sie hat bereits mehrere Fantasy-Romane selbst verlegt und erfolgreich via Books-on-Demand veröffentlicht, darunter auch „Taghelle Nacht“, welches auf Amazon und Lovelybooks durchgehend gute Kritiken erhielt. Freundlicherweise hat sie sich dazu bereit erklärt, spubbles die Gelegenheit zu einem Interview zu geben.

spubbles: Von der Idee zum Papier: Welcher Art war die erste Geschichte, die du aufgeschrieben hast, und wie zufrieden warst du damit?

Valentina Kramer: Die erste Geschichte, die ich geschrieben habe? Gute Frage … kleine Kurzgeschichten habe ich schon als Kind geschrieben und natürlich denkt man als Grundschüler noch nicht darüber nach, dass man eine Korrektur machen sollte, oder dass möglicherweise nicht jeder den eigenen Stolz auf den finalen Punkt unter der Geschichte teilen kann.

Die erste längere Geschichte, die ich schrieb, war quasi ein kleiner Scherz für meine Mitschüler und eher im Bereich klassische Urban-Fantasy angesiedelt. Da ging es nur um den Spaß und später entstand daraus mein erster vollständiger unveröffentlichter Roman (mit dem ich bis heute noch nicht abschließend zufrieden bin).

Was ist dir wichtiger: positives Feedback oder gute Verkaufszahlen?

Positives Feedback. Nur weil sich etwas verkauft, heißt es noch lange nicht, dass es gut ist, aber wenn mir einer meiner Betas seine ehrliche Begeisterung für das Buch mitteilt, weiß ich, dass die Geschichte genau so erzählt ist, wie ich es mir gewünscht habe. Letztlich geht es für mich auch immer darum, seiner eigenen Fantasie und den Figuren gerecht zu werden.

Du hast neben deinem Job als Bankkauffrau auch noch ein Studium laufen. Wie bringst du diese Dinge zeitlich mit dem Schreiben unter einen Hut? Machst du dir einen Stundenplan oder Ähnliches?

Aktuell studiere ich sogar noch (drittes Semester Bankfachwirt) und bin vor kurzem zur Relationship-Managerin aufgestiegen, meine berufliche Laufbahn geht daher zurzeit klar vor. Einen Stundenplan habe ich nicht, daran würde ich mich sowieso nicht halten. Ich schreibe da, wo sich Lücken finden, die findet man immer, wenn man sich die Mühe macht sie zu suchen (und geistig andere Tätigkeiten kurz hinten anstellt. Die Frage ist immer: Was ist jetzt gerade am wichtigsten? Muss ich jetzt für eine Klausur in zwei Monaten lernen, oder reicht es wenn ich damit später anfange und jetzt schreibe?)

Früher habe ich täglich mindestens eine Stunde mit Schreiben zugebracht, das war schön und hat meine persönliche Entwicklung als Schreiberling selbstverständlich gefördert. Da konnte ich im Jahr mehr als nur ein Buch fertigstellen. Das schaffe ich jetzt eben nicht mehr und muss mir mehr Zeit lassen, was aber den Reifungsprozess der Geschichte unterstützt.

Kurz: Ich schreibe, wenn ich Lust und Zeit habe.

Welcher Teil bei der Entstehung eines Buches macht dir am meisten Spaß?

Das Intro, das erste Kapitel. Wenn noch alles aus dem blanken Dokument werden kann. Dieser völlig offene Moment ganz am Anfang eines neuen Projekts, wenn man eine erste Idee des Plots bekommt und die Hauptfigur(en) kennenlernt, bis sie einem das Denken abnimmt und selbst erzählt. Dieser Übergang vom eigenen, mühsamen nach-Worten-Suchen zum Einstieg in die Erzählung aus der Figur heraus ist magisch.

Der amerikanische Autor Robert Hass hat mal geschrieben: „It’s hell writing and it’s hell not writing. The only tolerable state is having just written.“

Klar ist Schreiben anstrengend, wenn man sich von Satz zu Satz quält, gerade in einer Szene festhängt, oder (was mir recht häufig passiert) der Protagonist plötzlich alles umwirft, oder man ein riesiges Logikloch entdeckt, dann fragt man sich, warum man das überhaupt macht, aber die Antwort darauf ist einfach: Schreibt er nicht, bekommt jeder (wirklich jeder!) Schreiberling eine furchtbare Laune (Verweis auf die gute alte Schreibblockade), die spätestens das Umfeld irgendwann dazu zwingt ihm/ihr einen Stift in die Hand zu drücken und zu rufen „Himmel dann schreib‘ halt jetzt endlich!“.

Das ist die eine Sorte der Tage, die mir (und wohl den meisten anderen Autoren) unterkommen. Und dann gibt es die anderen: Die, an denen man morgens schon aufsteht und gleich mit dem ersten Gedanken die Vorfreude auf die eigene Geschichte verspürt, mit dem letzten Satz von gestern direkt wieder mittendrin zu sein. Wenn ich mich an einem solchen Tag an die Tasten setze und das Dokument mit der aktuellen Rohfassung, an der ich arbeite, öffne, kann man mich häufig nur recht grob aus meiner Welt befreien, dann vergesse ich alles andere. An dieser Sorte Schreibtage kann ich zehn- oder fünfzehntausend Worte am Stück schreiben und habe immer noch nicht das Gefühl, alles erzählt zu haben, was mir im Kopf herumgeistert. Das sind die Situationen, in denen es nichts gibt, was leichter sein könnte als Schreiben.

Schreibst du lieber am PC oder eher mit Stift und Papier?

Das bestimmt für mich tatsächlich die Geschichte, grundsätzlich ist mir der PC lieber, aber die Rohfassung von „Taghelle Nacht“ beispielsweise entstand komplett auf einem Block, mit dem guten alten Füller. Sie musste für mich irgendwie greifbar sein, ich wollte sehen, wie viel ich schon geschafft habe und fand es gut, den wachsenden Papierstapel direkt vor Augen zu haben. Schneller bin ich allerdings mit den Tasten und kann daher so meinen Gedanken besser folgen. Deshalb habe ich alle folgenden Bücher am PC geschrieben. Kurzgeschichten schreibe ich aber tatsächlich ab und an noch per Hand.

Manche Menschen mit viel Fantasie haben Spaß daran, sich Geschichten auszudenken, sträuben sich jedoch innerlich davor, diese zu Papier zu bringen. Kannst du eine Vorgehensweise empfehlen, wie der Einstieg gelingt und man eine Struktur für die Geschichte findet?

Es gibt kein Patentrezept, natürlich nicht. Aber es hilft, den unter Schreibenden allseits bekannten „Inneren Kritiker“ fürs Erste einfach in den Urlaub zu schicken. Die Geschichte wird einfach runter geschrieben, ohne Überlegung, ob die Wörter da richtig sind, die man gerade verwendet, oder ob da oder dort vielleicht ein Komma rein gehört. Auch der Gedanke: Das ist doch alles Schrott (auch den hat wirklich jeder!) ist verboten. Gelesen und beurteilt wird erst mit ein paar Tagen Abstand, dann folgt die Korrektur (Szenen schieben, an Sätzen feilen, den Plot umwerfen und neu strukturieren …).

Valentina Kramer ist ein Pseudonym. Du hast zusätzlich auch noch unter dem Namen Velvett D. Black veröffentlicht. Was hat es mit diesem zweiten Pseudonym auf sich?

Das zweite Pseudonym ist die Basis für ein völlig anderes Genre. Ich wollte „Fantasy“ und „Chick-Lit“ nicht in einem Namen kombinieren. Das macht es zum einen für mich beim Schreiben etwas einfacher zu wissen, dass ich mich als Velvett anders ausdrücke, als es Valentina tun würde, und zum anderen soll es dafür sorgen, dass der Unterschied für den Leser auf den ersten Blick zu erkennen ist. Der Name selbst stammt aus einer Witzelei mit einer Autoren-Freundin von mir.

Die Selfpublishing-Community ist weniger stark reguliert als ein festes Verlagsgefüge. Herrscht dort kollegiales oder eher Konkurrenzdenken? Wie wohl fühlst du dich dort?

Das kommt immer ganz darauf an. Schwarze Schafe hat man immer, das Konkurrenzdenken der SPler ist teilweise sehr stark ausgeprägt, aber man merkt recht schnell, auf wen man sich wirklich verlassen kann, wer als guter Freund funktioniert, mit wem man eventuell sogar zusammenarbeiten könnte und wer profitgierig ist und mit allen Mitteln versucht, seine Konkurrenz schlecht zu machen. Dazu könnte man die wildesten Geschichten erzählen, mir persönlich sind diese „harten Gefechte“ zum Glück nur aus Erzählungen bekannt.

Die SPler, die ich bisher näher kennenlernen durfte, waren alle sehr nett und mehr eine eingeschworene Gemeinschaft, die sich auch gerne mal gegenseitig unter die Arme greift.

Wenn du einen eigenen Verlag gründen und dir dein Feld aussuchen könntest, welche Art von Büchern würdest du am liebsten veröffentlichen? Welches Genre begeistert dich?

Das ist schwierig, ich liebe Bücher und lese gerne in alle Richtungen. Das geht mir beim Schreiben ähnlich. Wenn mir danach ist, dann schreibe ich auch mal eine Kurzgeschichte im Horrorbereich oder etwas, das mehr der klassischen, künstlerischen Literatur ähnelt. Sich da zu spezialisieren finde ich fast schon zu viel verlangt. Es gibt in jedem Genre Geschichten, die es sich zu lesen lohnt. Müsste ich mich tatsächlich festlegen, dann würde ich mich wahrscheinlich für das Verlegen von Crossovers entscheiden, die faszinieren mich. Jedes Buch für sich ist völlig einzigartig durch seine Zwanglosigkeit, die auf den fehlenden Genre-Konventionen beruht, das macht einfach alles möglich.

Gefällt dir die Entwicklung der Buchbranche in Richtung Digitalisierung und Internet, oder siehst du einen Punkt kommen, an dem du gerne die Bremse ziehen und „Stopp!“ sagen würdest?

Digitalisierung ist an sich nichts Schlechtes, natürlich nicht. Sie bietet die Möglichkeit, das Geschriebene schnell und bequem zu veröffentlichen. Kein Verlag kann an dem herumfuhrwerken, was meine Geschichte mitbringt (Gerade, wenn ich an „Taghelle Nacht“ und die Folgebände denke, hätte ein Verlag wahrscheinlich zumindest die spezielle Art meiner Hauptfigur abändern wollen, um sie massentauglich zu machen. Damit hätte sich für mich das Besondere verloren). Die vielen Möglichkeiten zur Veröffentlichung von E-Books erlauben dem Markt also, sich breiter zu entwickeln. Als Autor kann man also auch mal „verrückte Dinge“ ausprobieren und damit möglicherweise doch ein paar Leser erreichen. Letztlich bietet die Einführung der E-Books und der diversen Plattformen zur Veröffentlichung einen Mehrwert für alle. Der Leser selbst entscheidet, was gelesen wird, und niemand ist da, der für ihn vorselektiert.

Allerdings wird mit der neuen Form auch viel Unfug betrieben. Urheberrechte sind nichts, was man mit einem einfachen Kopierschutzknacker „vernichten“ kann. Das größte „Stopp!“ gilt für mich demnach der E-Book-Piraterie, aber da würde wohl jeder andere SPler genauso antworten. Wir bieten unser geistiges Eigentum ja schon günstig an (aufgrund der kostengünstigen Veröffentlichungsplattformen ist das ja zum Glück möglich); in den Augen desjenigen, der Tage, Wochen und Monate, Leidenschaft und viele Gedanken in den vorliegenden Datensatz gesteckt hat, eigentlich zu günstig. Warum man Bücher, die wenige Euro kosten und auf einem Reader sofort verfügbar sind, noch knacken und auf Schwarzmarkt-Plattformen verticken muss, das erschließt sich mir einfach nicht.

(Und natürlich sollte auch das völlige Aussterben des Papierbuchs kein Ziel der E-Books sein, das würde einem Medium die Basis rauben.)

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