Nike Leonhard: „Selfpublishing gibt mir die Freiheit, die Geschichten zu erzählen, die mir wichtig sind“

Marisa Klein 

Letzte Woche haben wir euch unser neues Fundstück „Steppenbrand – Die Legende von Dejasir no’Sonak“ vorgestellt. Die Autorin Nike Leonhard gibt heute in unserem Interview einen kleinen Einblick in ihre Arbeit und spricht dabei über Inspirationen, das Schreiben für das Lesen „zwischendurch“ und wie vielfältig sie auf der Leipziger Messe unterwegs sein wird.

Spubbles: Woher kam die Idee, Bücher für jeden Zeit- und Leseaufwand zu schreiben?

Nike Leonhard: Die Idee, sich auf kürzere Formate zu spezialisieren, beruht im Wesentlichen darauf, dass ich neben Romanen schon immer gern Kurzgeschichten und Novellen gelesen habe (im Manesse-Verlag gibt es ausgezeichnete Sammlungen).
Was mir aber auffällt ist, dass der Buchmarkt vorwiegend den Roman bedient. Anthologien sind fast völlig aus den Regalen der Buchhandlungen verschwunden. Das sieht auf Leseplattformen, wie Sweek oder Wattpad ganz anders aus, genauso in den Fan-Fiction-Foren. Demnach gibt es offensichtlich eine Nachfrage an Geschichten, die sich dazu eignen, „zwischendurch“ gelesen zu werden. Auf einer längeren Zugfahrt, an einem Wochenende, oder wenn absehbar ist, dass eine längere Lesepause folgen wird.
Das entspricht m. E. auch unserer Lebensweise. Außer, wenn wir im Urlaub sind, haben wir selten viel Zeit am Stück; unser Alltag ist ein kleinteiliges Mosaik verschiedenster Aufgaben und Aktivitäten, und nicht zuletzt sind mit Computer, Internet und Streaming-Diensten sind zusätzliche Medien hinzugekommen, die unsere Aufmerksamkeit fordern.
Ich merke an mir selber, dass mir deshalb oft die Geduld fehlt, mich vollständig auf das Personal und die Handlung eines „großen“ Romans einzulassen und ich schätze, dass ich damit nicht alleine bin. Deshalb schreibe ich für alle, denen es ähnlich geht.

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© Nike Leonhard

Gibt es Inspirationen für Ihre Bücher aus dem Fantasy-Genre?

Inspirationen gibt es natürlich. Niemand schreibt im luftleeren Raum und wie alle anderen Autoren auch jongliere ich in gewisser Weise mit den Ideen anderer. Andererseits lassen sich die Vorlagen nicht immer so klar bestimmen, wie bei „Steppenbrand“, das, wie Sie wissen, von Tolkiens Herrn der Ringe inspiriert ist.
„Der Fluch des Spielmanns“ zitiert diverse Geistergeschichten, in denen die Toten keine Ruhe finden, so lange ein erlittenes Unrecht nicht ausgeglichen wurde. „O Tannenbaum“ ist durch griechische Sangen über Dryaden inspiriert, greift den Masterplot einer Quest auf, spielt aber in einem modernen Umfeld. Ähnlich ist es mit „Biss zum letzten Akt“: Vampire sind spätestens seit dem 19. Jahrhundert fester Bestandteil der phantastischen Literatur und natürlich greife ich auf diese Legenden zurück. Gleichzeitig sind sie seit Stephanie Meyers Twilight-Serie so prominent im Fokus, dass ich zunächst davor zurückgescheut habe, die Geschichte überhaupt zu schreiben, denn zum einen ist „meine“ Silke völlig anders und zum anderen ist der Plot durch eine Kurzgeschichte inspiriert, die ich irgendwann in den 90ern gelesen habe. Das war allerdings keine Fantasy, sondern ein Krimi.

Sie haben sich für „Steppenbrand“, ähnlich wie Tolkien, eine eigene Sprache erdacht. Wie sind Sie vorgegangen?

Die Sprache der Khon ist parallel zum Schreiben gewachsen und hat – genau wie die Geschichte selbst – diverse Änderungen erfahren. Ursprünglich betraf sie nur die Namen. Menschen – auch fiktive –  brauchen Namen. Gleichzeitig verrät die Art der Namen sehr viel über eine Kultur. Es macht einen gewaltigen Unterschied, ob man seine Kinder vorwiegend „Friede“, „Segen“, „Freude“ nennt oder ihnen Namen gibt, die mit Kampf und Krieg zu tun haben. Deshalb hatte ich mir immer auch eine Bedeutung zu diesen Namen ausgedacht. Bei den nomadisch lebenden Khon waren das vor allem aus der Natur entlehnte Begriffe. Da diese Spielerei Spaß gemacht hat, hat sich das Ganze irgendwann verselbständigt, so dass die Notwendigkeit einer (wenigstens rudimentären) Grammatik hinzu kam. Sprachen zu erfinden macht eindeutig Spaß.

Was gefällt Ihnen am Selfpublishing am besten?

Am Selfpublishing gefällt mir die Flexibilität. Ich brauche keine Deadlines einzuhalten, was für mich, aufgrund meiner persönlichen Situation, sehr schwierig ist. Vor allem aber macht mir niemand Vorgaben zu Umfang und Inhalt meiner Geschichten. Ich muss mich keinen, von der Marketingabteilung ausgemachten zielgruppenspezifischen Interessen beugen oder zusätzliche Szenen einfügen, nur um auf eine bestimmte Zeichenzahl zu kommen. Selfpublishing gibt mir die Freiheit, die Geschichten zu erzählen, die mir wichtig sind und im Zweifel eine Veröffentlichung zu verschieben oder ganz darauf zu verzichten, wenn die Geschichte meinen eigenen Ansprüchen nicht genügt.

Wie werden Sie die Leipziger Buchmesse für sich nutzen?

Auf der Leipziger Buchmesse werde ich zwei meiner Bücher („Steppenbrand“ und „Biss zum letzten Akt“) am Stand des Nornennetzes präsentieren.
Das Nornennetz ist eine noch recht junge Vereinigung, in der sich deutschsprachige Fantastikautorinnen zusammengeschlossen haben, um auf Frauen in der Fantastik aufmerksam zu machen, Rollenklischees entgegenzuwirken und sich gegenseitig zu unterstützen. Aus diesem Grund diskutieren wir im Rahmen von „Leipzig liest“ über Frauen in der Fantastik. Kristallisationspunkt unseres Auftritts ist aber der Stand in Halle 2 (Standnummer J 303). Hier werde ich, wie schon gesagt, meine Bücher ausstellen. Außerdem werde ich dort am Samstag, den 17.03. von 11:00 Uhr bis 11:30 Uhr aus „Der Fluch des Spielmanns“ und „Biss zum letzten Akt“ lesen und anschließend gern für Fragen zur Verfügung stehen.
Außerdem nehme ich am 15.03. im Rahmen der Reihe autoren@leipzig an der Podiumsdiskussion „Was macht mich zum Schriftsteller“ teil, die das Netzwerk Autorenrechte im BVjA ausrichtet.

Und zu guter Letzt: Ist schon eine neue Ausgabe des Codex in Arbeit?

Leider liegt die letzte Ausgabe des Codex Aureus schon sehr lange zurück. Das ist vielleicht der Nachteil fehlender Deadlines. Es liegt aber nicht daran, dass mir nichts einfällt, sondern eher am Gegenteil: Eigentlich war als nächstes wieder eine Geschichte aus der Welt der Khon geplant, die etwa 100 Jahre nach den Ereignissen spielen sollte, die in „Steppenbrand“ geschildert werden. Eigentlich sollte es nur eine nette, harmlose Geschichte über die Begegnung zweier Kulturen werden, verbunden mit einer Liebesgeschichte. Nur ist das Ganze eskaliert. Inzwischen arbeite ich mit dutzenden Figuren, verschiedenen Erzählperspektiven und mehreren Zeitebenen. Diese Geschichte will definitiv ein Roman werden.
Vermutlich muss werde ich sie daher eine Weile beiseite legen und mich auf ein Werwolf-Wildwest-Crossover konzentrieren, das mir auch schon seit geraumer Zeit im Kopf herumspukt.

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