Wie verändern sich die Geistes- und Kulturwissenschaften im Zuge der Digitalisierung?

Lukas Lieneke

Fotos: mainzed / Sarah Pittroff, CC BY-SA 3.0 DE

Vor dem Hintergrund dieser Frage lud am 29.01.2016 das noch junge Mainzer Zentrum für Digitalität in den Geistes- und Kulturwissenschaften, kurz mainzed, in Kooperation mit der Mainzer Arbeitsstelle Kleine Fächer der JGU zu einer Diskussion mit Publikumsbeteiligung ein. In den Hallen des Museums für Antike Schiffahrt widmeten sich die Diskussionsteilnehmer unter der Moderation von Prof. Dr. Kai-Christian Bruhn, seines Zeichens Direktor von mainzed, in vier Themenblöcken dem Thema „Digitalität und Diversität – die Geisteswissenschaften im Jahr 2026“. Auch das Thema Open Access rückte dabei in den Fokus.

Open Access als Herausforderung und Chance für kleine Fächer

Welche Veränderungen Digitalisierung und Open Access im Forschungsalltag mit sich bringen, schilderte zu Beginn des Diskussionspanels Prof. Dr. Gudrun Gersmann vom Historischen Institut der Universität Köln. In ihrem anekdotischen Bericht erzählte sie von der mühsamen Quellensuche in alten Archiven, die inzwischen in vielen Fällen durch die Zugriffsmöglichkeit auf die digitalisierten Bestände erleichtert wird. Bereits anhand dieses Beispiels wurde deutlich: Open Access und Open Data können heute als zentrale Bestandteile eines funktionierenden digitalen Ökosystem betrachtet werden in dem gelehrt, geforscht und wissenschaftlich publiziert wird. Für die kleinen Fächer stelle der damit verbundene Geld- und Arbeitsaufwand häufig noch eine Herausforderung dar. Allerdings, so betonte Gersmann, biete Open Access auch die Chance gerade diesen Fächern zu mehr Aufmerksamkeit zu verhelfen. Generell sei es wichtig, sich bei den Themen Open Access und Open Data von einer ideologischen Diskussion zu lösen. Jeder solle den für ihn richtigen Publikationsweg wählen.

Dr. Mercedes Bunz, Prof. Dr. Gudrun Gersmann und Prof. Dr. Irene Dingel (v. l. n. r). Foto: mainzed / Sarah Pitroff, CC BY-SA 3.0 DE

Dr. Mercedes Bunz, Prof. Dr. Gudrun Gersmann und Prof. Dr. Irene Dingel (v. l. n. r). Foto: mainzed / Sarah Pittroff, CC BY-SA 3.0 DE

Transparente Forschung durch Open Access

Einen weiteren Aspekt brachte die Mainzer Kirchenhistorikerin Prof. Dr. Irene Dingel in die Diskussion ein: Neben der Möglichkeit zur Entwicklung neuer digitaler Angebote und Forschungsprojekte sei Open Access auch für die Transparenz der Wissenschaft von großer Bedeutung. „Ich glaube, dass diese ungeheure Errungenschaft den einzelnen Forscher absolut gläsern und durchsichtig macht“, erklärte Dingel. Im Prinzip handle es sich hierbei auch um eine Form der Qualitätssicherung, da der einzelne Wissenschaftler seine Forschung und deren Grundlagen absolut offen lege. Auf der anderen Seite sei damit auch ein Verlust des Experten- bzw. Herrschaftswissens Einzelner zu Gunsten einer Demokratisierung des Wissens verbunden.

Zustimmung erhielt Dingel in diesem Punkt von der dritten Diskussionsteilnehmerin des Themenblocks Open Access, Dr. Mercedes Bunz, die derzeit Journalismus und Digitale Medien an der Londoner University of Westminster lehrt und 2014 von der Gesellschaft für Informatik zu einem der 40 „Digitalen Köpfe Deutschlands“ gewählt wurde. So prognostizierte sie, als Folge der Digitalisierung für die Lehre, ein verändertes Rollenverständnis zwischen Studierenden und Dozenten. Letztere müssten inzwischen darauf gefasst sein, während einer Vorlesung von ihren Zuhörern korrigiert zu werden, da sich die Aussagen der Lehrenden im Internetzeitalter umgehend überprüfen ließen. Eine Entwicklung, die nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch in unserem täglichen Leben allgegenwärtig sei. Gleichzeitig rief Bunz zu einer positiveren Einstellung gegenüber digitalen Innovationen wie Open Access auf. Speziell in Deutschland begegne man diesen Themen oft noch mit einer eher skeptischen und negativen Grundhaltung, statt sich auf deren Potenziale und Chancen zu konzentrieren.

Foto: mainzed / Sarah Pitroff, CC BY-SA 3.0 DE

Moderator Prof. Dr. Kai-Christian Bruhn im Gespräch mit den drei Diskutantinnen. Foto: mainzed / Sarah Pitroff, CC BY-SA 3.0 DE

Open Access bedeutet auch Arbeit und Kosten

Welche Brisanz nach wie vor mit dem Thema Open Access verbunden ist, spiegelte sich auch in der regen Beteiligung seitens des Publikums wieder. So wurde unter anderem die Frage aufgeworfen, inwieweit der Begriff „Open“ Access überhaupt zutreffend sei. Schließlich würden die Ergebnisse der meisten Suchmaschinen nach bestimmten Kriterien sortiert und gefiltert, wodurch einzelne Materialien Gefahr liefen, nicht erfasst zu werden, oder in der Masse an Ergebnissen unter ferner liefen unterzugehen. Bunz konterte dies mit dem Hinweis, dass Open Access nicht bloß bedeute, Material kostenfrei und öffentlich zugänglich ins Netz zu stellen, sondern auch für dessen Auffindbarkeit zu sorgen. Dies könne beispielsweise durch die Zusammenarbeit mit Dienstleistern wie einem Open Access-Verlag gewährleistet werden. Dieser Punkt wurde auch umgehend in der nächsten Publikumsmeldung aufgegriffen. So wies Prof. Dr. Christoph Bläsi von der Mainzer Buchwissenschaft zu Recht darauf hin, dass Open Access zwar für den Endnutzer kostenlose Nutzung bedeute, für die zur Verfügung stellende Instanz aber durchaus teils erhebliche Kosten verursache. Dies könne gerade für kleinere Fächer mit geringem Finanzetat ein Hindernis sein, wenn es darum gehe, Materialien Open Access zur Verfügung zu stellen.

Ein neues Aushängeschild für den Wissenschaftsstandort Mainz

Eines war am Ende der Veranstaltung mit Sicherheit deutlich geworden: Das Thema Digitalität wird für die Geisteswissenschaften weiterhin Herausforderungen, aber auch viele Chancen und neue Entwicklungsmöglichkeiten bereithalten. Mit mainzed verfügt der Wissenschaftsstandort Mainz nun über ein neues innovatives Aushängeschild, das sich dieses Themas annimmt. Gegründet wurde das Zentrum 2015 von sechs Mainzer Wissenschaftseinrichtungen: Der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), der Hochschule Mainz, der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, dem Römisch-Germanischen Zentralmuseum Mainz, dem Institut für Geschichtliche Landeskunde und dem Leibniz-Institut für Europäische Geschichte. Ziel der Initiative ist es, digitales Potenzial und Kompetenzen in den Geistes- und Kulturwissenschaften zu bündeln und zukunftsfähig zu machen. Zu diesem Zweck planen die JGU und die Hochschule Mainz außerdem die Akkreditierung eines neuen Masterstudiengangs mit dem Titel „Digitale Methodik in den Geistes- und Kulturwissenschaften“, der den Studierenden ab dem Wintersemester 2016/17 Kompetenzen auf dem Forschungsfeld der „Digital Humanities“ vermitteln soll.

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